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Der Großmeister des Dampflokomotivbaus |
Eine weitere Leistungssteigerung
war nur durch die Erhöhung der Reibungslast zu erreichen. Chapelon
schreckte schließlich nicht vor einem noch radikalerem Umbau, diesmal
der Pacific 4521, zurück. Neben dem Umbau des Kessels und der Dampfmaschine
in bekannter Manier ersetzte er die hintere Laufachse durch eine vierte
Treibachse. Die auf diese Weise entstandene, später zur 4701 umgezeichnete,
Maschine verließ im August 1932 als nahezu vollständige Rekonstruktion
die Hauptwerkstätte Tours um bei Testfahrten sensationelle Leistungen
zu erbringen. Bei Fahrten mit dem Meßwagen und Bremslokomotiven war
sie in der Lage eine Stunde lang eine Durchschnittsleistung von 3030 PS
am Zughaken, entsprechend 2850 PS in den Zylindern, bzw. 1025 PS je qm
Rostfläche zu erbringen. Damit war die 4701 im Plandienst in der Lage
trotz langer 10 Promille Rampen Züge von 700-800 t zu befördern
und dies schneller als die nicht umgebauten Pacifics deren Grenzlast bei
500 t lag. Nach dem Muster der 4701 wurden alsbald 11 weitere Maschinen
rekonstruiert. Sie stellten leistungsmäßig sogar die Mountains
der EST (spätere SNCF 241 A) weit in den Schatten. 1935 beförderte
die 4710 den Südexpress mit einer Überlast von 1022 t (22 Wagen)
auf der 136 km langen Strecke von Bordeaux nach Angoulême. Dennoch
lief sie bis zu 120 Km/h und holte sogar noch 13 Min Verspätung auf,
die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 100 Km/h. Nicht unerwähnt
bleiben sollte der Anteil des Lokpersonals an diesen Leistungen. Die Lokomotiven
waren ausschließlich "machines titulaires" mit nur einem Personal,
der Heizer schaufelte auf derartigen Fahrten 4 t Kohle pro Stunde in die
3,7 m lange Feuerbüchse der 4701. (siehe
we no.4)
Die herausragenden
Leistungen bewogen auch die NORD ihre, mit den 3500 der P.O. identischen
Maschinen umbauen zu lassen. Diese Maschinen überzeugten derart, daß
man anstelle der ab 1930 beschaften "Superpacific" weitere derartige Maschinen
komplett neu bauen ließ, welche gemeinsam mit den Umgebauten zu den
spätere SNCF 231 E 1 - 48 wurden. Die Maschinen waren ausgezeichnete
Schnellläufer und die NORD 3.1174, spätere SNCF 231 E 4 erreichte
1935 mit 400 t im Gefälle eine Geschwindigkeit von 174 Km/h und damit
den Rekord aller französischen Dampflokomotiven. Später wurden
die 231 E öfter für Schnellfahrversuche zur Entwicklung von Stromabnehmern
für Elektroloks verwendet. Dabei schoben die Loks eine BB 12000 mit
bis zu 165 km/h vor sich her und hatte selbst noch zwei Meßwagen
angehängt.
1934 erfolgte der
Zusammenschluß der P.O. und der P.L.M. zur P.O.MIDI, Chapelon wurde
Chefingenieur des Maschinenwesens. Nun wurden auch sämtliche Pacifics
der Südbahn nach seinen Grundsätzen umgebaut, wobei er daran
persönlich nicht beteiligt war. 1934 erfolgte auch der Umbau weiterer
10 Maschinen der P.O. Reihe 3500. Bei der P.O.MIDI erhielten sie die Nummern
231.722 - 731, sie wurden die stärksten Pacifics Frankreichs und erreichten
bei Versuchsfahrten eine Leistung von 3700 PSi.
Bis 1936 beschäftigte
sich Chapelon in der Praxis ausschließlich mit den Optimierungen
an vorhandenen Maschinen. Trotz der sich bereits damals stark ausbreitenden
Elektrifizierung befaßte er sich jedoch auch mit einem Neubauprogramm
für die P.O.MIDI welches 6 Typen mit maßgeblichen Neuerungen
beinhaltete. Neben drei Stromlinienlokomotiven, einer 2'C2', einer 2'D2'
und einer für 200 Km/h Höchstgeschwindigkeit ausgelegten 2'C,
sollten eine Vorort-Tenderlok 1'E1' mit 4500 PS, eine 2'C1'-Tenderlok mit
Gepäckabteil und eine 1'E2' 6-Zylinder-Verbund Güterzuglok entstehen.
Diese Entwürfe waren ihrer Zeit weit voraus und der Zusammenschluß
der vier großen französischen Netze in der SNCF 1938 tat ein
Übriges um die Prioritäten neu zu verteilen. Das Einzige was
von diesen Projekten auf die Schiene kam war, wiederum ein Umbau, die 1'F
h6v Lok 160 A 1 die aus einer 150 der P.O. entstand. Diese Lok erbrachte
ebenfalls eindrucksvolle Leistungen, blieb jedoch aufgrund des sich abzeichnenden
Strukturwandels ein Einzelstück.
Bei der SNCF wurde
Chapelon zum Chef der Lokomotivversuchsanstalt. Während des Krieges
wurden die übrigen 25 im Originalzustand verbliebenen P.O. Pacifics
der früheren Reihe 4500 zu 240 P umgebaut. Diese mehr einem Neubau
gleichkommende Rekonstruktion brachte Neuerungen wie eine Stoker-Feuerung,
Hulson-Schüttelrost und eine Rahmenverlängerung zum besseren
Ausgleich der Massen mit sich. Auch äußerlich kamen einige Veränderungen
zum Tragen. Die Umläufe wurden über die Treibräder hochgesetzt,
die Loks erhielten Windschneideführerhäuser und viele der Kesselleitungen
wurden unter die Kesselbleche verlegt. Eine weitere herausragende Maschine
entstand aus der mißlungenen ETAT 241.101 welche Chapelon zur leistungsfähigsten
Lok Europas umbaute, der 242 A 1 (siehe
we no.2).
Eine nicht unbedingt
besonders weise Beschaffungspolitik der SNCF ließ ab 1942 die 141
P entstehen, eine Universalbauart die durchaus von den Erkenntnissen Chapelons
profitierte, aber als eher kränkelnd zu bezeichnen ist, die ersten
waren bereits ausgemustert als die letzten ausgeliefert wurden. Ab 1945
kamen noch 1340 Zweizylinder Maschinen der Reihe 141 R von Baldwin, Lima
und Alco in den USA gebaut hinzu, die in Frankreich erst einmal etwas "zivilisiert"
werden mußten. Schließlich wurden als letzte Schnellzugdampflokomotiven
der SNCF 1948-50 die aus der P.L.M. Prototype 241 C 1 hervorgegangenen
241 P geliefert.
In dieser Art war
dies sicherlich von Seiten der SNCF nicht unbedingt geeignet das Genie
des André Chapelon zu würdigen. Sein, nach einer Studienreise
1938 in die USA, erneuertes Neubauprogramm, welches die Synthese aus den
beiden am höchsten entwickelten Dampflokbau-Nationen versprochen hat,
fand keine Verwirklichung. So ist es doch als einigermaßen tragisch
zu sehen, daß es Chapelon niemals vergönnt war eine vollständige
Neukonstruktion auf Frankreichs Gleise zu stellen. Mehr als ein Trostpflaster
wirken die beiden von ihm für Brasilien konstruierten Meterspurtypen,
einer 2'D2' und einer etwas leichteren 1'D2', zumal beides Zwillingsmaschinen
waren. Diese Lokomotiven entwarf er im Auftrag der "GELSA", einer Exportgemeinschaft
verschiedener französischer Lokfabriken. 1953 wurden die Maschinen
ausgeliefert und im selben Jahr verabschiedete sich André Chapelon
in den Unruhestand um fortan für die GELSA zu arbeiten. 1962 optimierte
er für die argentinische General-Roca-Bahn 75 2'D h3 Lokomotiven welche
durch seine Maßnahmen bei 25,5 % weniger Heizölverbrauch 40
% mehr Leistung erbrachten. Daraufhin ließ diese Bahn weitere 100
Maschinen anderer Typen entsprechend umbauen.
Literaturquellen:
W. Messerschmidt,
Abschied - André Chapelon ..zum Gedenken, LM 93, Franckh 1978
A. Lepage, A. Chapelon
- Lebenswerk eines großen Ingenieurs, LM 25, 26, Franckh 1967
E. Born, 231 - Entwicklung
und Geschichte der Pazifik-Lokomotive, Franckh 1965